Januar – März

Wenn ich auf mein Rad steige und bis in die Nacht hinein meine Runden drehe, sind zwei Dinge besonders wichtig: Licht und Reflektoren. Wenn es so richtig „ungemütlich“ wird, habe ich auch noch eine gelbe Weste dabei. Gesehen zu werden, spielt aber nicht nur im Verkehr eine Rolle, sondern in der Entwicklung eines jeden Menschen. Unsere Seele und das Selbstbewusstsein brauchen diese Erfahrung: „Ich werde gesehen.“ Es ist so wichtig, dass der Papa die kleine Tochter sieht, wenn sie das erste Mal bewusst ein Kleid anhat oder die Mama wahrnimmt, wenn der Sohn schon eine Aufgabe „für Große“ übernimmt. Wenn der Meister ein Lob für die gute Ausbildung ausspricht oder der Chef die gute Arbeit sieht. Es gibt immer wieder Momente, in denen wir gern gesehen werden möchten.

Doch es gibt auch diese anderen Momente. Die Zeiten der Not und der Verzweiflung. Momente, in denen man sich schämt und am liebsten verstecken möchte. Hagar war in dieser Situation. Nach der Unterdrückung durch Sarah, mit einem Kind im Bauch ist sie auf der Flucht ins Ungewisse. An einem Brunnen kommt es zur Begegnung mit einem Boten Gottes. Er spricht Hagar mit ihrem Namen an und nimmt an ihrer Situation Anteil. Er ermutigt sie und spricht Zusagen über ihr noch nicht geborenes Kind aus. Ismael soll er heißen: Gott hört. Diese Begegnung verändert Hagar. Als ägyptische Magt ruft sie Abrahams Gott mit dem Namen: „ēl rŏʾî – Gott, der mich sieht.“ an.

Es tut so gut zu wissen, dass unser Schöpfer und Vater im Himmel uns sieht. Nicht nur in den Stunden, in denen wir glänzen oder großartige Leistungen vollbringen. In Stunden der Not ruft er uns bei unserem Namen. Wenn wir auf der Flucht vor uns selbst sind oder uns verstecken, geht er uns nach und möchte uns begegnen.

Hagar hat diese Begegnung Kraft und Mut gegeben in die schwere Situation zurückzukehren. Paulus hat sein Leben auf den Kopf gestellt, um die Botschaft zu verbreiten, die er erst so verbittert bekämpft hat. Luther hat in großer Sorgfalt das Neue Testament übersetzt und Bonhoeffer sich dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten angeschlossen.

Was macht es mit dir, wenn du weißt, dass Gott dich sieht?

Ihr Christoph Müller
Inspektor im Gemeinschaftsverband Sachsen-Anhalt